Israelisches Kabinett berät über Waffenruhe-Abkommen im Gazastreifen
Nach dem grünen Licht des israelischen Sicherheitskabinetts für das Abkommen mit der Hamas über eine Waffenruhe im Gazastreifen hat am Freitagabend die gesamte israelische Regierung die Beratungen über die Vereinbarung aufgenommen. Der Sprecher des Büros von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Omar Dostri, bestätigte den Beginn der Kabinettssitzung. Stimmt die Regierung dem Abkommen zu, wird die Freilassung der ersten israelischen Geiseln am Sonntag erwartet.
Die Einigung auf das Abkommen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas nach 15 Monaten Krieg war am Mittwochabend verkündet worden. Die Vereinbarung sieht vor, dass am Sonntag eine sechswöchige Waffenruhe im Gazastreifen beginnt. In dieser ersten Phase des Abkommens sollen insgesamt 33 Geiseln freikommen. Im Gegenzug sollen hunderte palästinensische Gefangene freigelassen werden.
Die israelischen Behörden gehen davon aus, dass die 33 Geiseln am Leben sind, eine Bestätigung der Hamas steht allerdings noch aus. Aus dem Hamas-Umfeld hieß es, als Erstes sollten drei israelische Frauen freigelassen werden. Das Rote Kreuz werde die ersten Geiseln voraussichtlich am Sonntagabend gemeinsam mit ägyptischen und katarischen Teams in Empfang nehmen. Sie würden dann nach Ägypten gebracht und dort der israelischen Seite übergeben, die dann auch ihre medizinische Untersuchung übernehme.
Nachdem die ersten freigelassenen Geiseln nach Israel heimgekehrt seien, werde die "Freilassung der ersten Gruppe palästinensischer Häftlinge, darunter mehrere mit hohen Strafen, erwartet", hieß es weiter.
Das israelische Justizministerium veröffentlichte am Freitag eine Liste mit 95 am Sonntag freikommenden palästinensischen Gefängnisinsassen. Die Freilassung werde nicht vor Sonntag 16.00 Uhr (Ortszeit, 15.00 Uhr MEZ) erfolgen", erklärte es. Die Liste umfasst die Namen von 69 Frauen, 16 Männern und zehn Minderjährigen, darunter ein 16-Jähriger. Nur sieben von ihnen wurden vor dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 inhaftiert.
Voraussetzung für die Freilassung der Geiseln ist jedoch die Zustimmung des gesamten israelischen Kabinetts, nachdem das Sicherheitskabinett bereits grünes Licht gab.
Der rechtsextreme Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir hat für den Fall einer Zustimmung seinen Rücktritt angekündigt. Auch der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich wandte sich entschieden gegen das Waffenruhe-Abkommen.
Vor der Sitzung des Sicherheitskabinetts hatte Netanjahus Büro mitgeteilt, dass die letzten Einzelheiten des Waffenruhe-Abkommens geklärt worden seien. Die Familien der Geiseln seien informiert worden, es würden Vorbereitungen für ihre Heimkehr getroffen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte Verständnis für Vorbehalte in Israel, sich auf die Vereinbarung mit der Hamas einzulassen - nun sei aber "die Zeit für einen solchen Kompromiss gekommen". In Berlin sagte Scholz, die Bundesregierung verstehe, wie "schwierig und schmerzhaft" für Israel ein Abkommen mit der Hamas sei, die immer noch Israels Vernichtung anstrebe. Es sei aber nun an der Zeit, diesen "Kompromiss" "Schritt für Schritt konsequent" umzusetzen. Außer der Freilassung aller Geiseln, zu denen auch Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft gehören, forderte der Kanzler, dass die Hamas "ihre Waffen ein für alle Mal" niederlegt.
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, die Bundesregierung habe die langwierigen Gespräche über eine Feuerpause und eine Geiselfreilassung "flankiert".
Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahera News berichtete, die Vermittlerstaaten Ägypten, Katar und USA hätten am Freitag in Kairo technische Gespräche über die "Mechanismen zur Umsetzung der Waffenruhe-Vereinbarung" geführt. Dabei sei auch vereinbart worden, täglich 600 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen zu lassen.
Der Krieg im Gazastreifen war durch den Großangriff der Hamas und mit ihr verbündeter Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden. Dabei wurden israelischen Angaben zufolge 1210 Menschen getötet, 251 Geiseln wurden in den Gazastreifen verschleppt.
94 der Geiseln sollen sich nach wie vor dort befinden, 34 von ihnen sind laut der israelischen Armee bereits tot. Unter den noch festgehaltenen Geiseln befindet sich auch eine niedrige zweistellige Zahl von Menschen mit Deutschland-Bezug, wie es aus dem Auswärtigen Amt hieß.
Israel ging seit dem Hamas-Überfall massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang mehr als 46.800 Menschen getötet.
A.Famiglietti--LDdC